Wann ein Aufhebungsvertrag wirklich sinnvoll ist - Anwalte-at.com

Wann ein Aufhebungsvertrag wirklich sinnvoll ist

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Der plötzliche Verlust des Arbeitsplatzes ist für viele Menschen in Österreich ein einschneidendes Erlebnis, oft verbunden mit Unsicherheit und Stress. In solchen Momenten kommt häufig ein Begriff zur Sprache: der Aufhebungsvertrag. Doch wann ein Aufhebungsvertrag wirklich sinnvoll ist, ist eine Frage, die weit mehr Nuancen birgt, als es auf den ersten Blick scheint. Er ist eine Alternative zur klassischen Kündigung, die von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgesprochen wird, und bietet die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen zu beenden. Diese Option kann Vorteile bieten, birgt aber auch erhebliche Risiken, die es sorgfältig abzuwägen gilt. Als Arbeitnehmer, der sich in einer solchen Situation wiederfindet, ist es entscheidend, Ihre Rechte und Pflichten genau zu kennen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Lassen Sie uns die Vor- und Nachteile dieses Instruments genauer beleuchten, damit Sie bestens vorbereitet sind.

Was ist ein Aufhebungsvertrag überhaupt?

Ein Aufhebungsvertrag, auch als Auflösungsvertrag bekannt, ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das bestehende Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt einvernehmlich zu beenden. Im Gegensatz zu einer Kündigung, die einseitig erfolgt, setzt der Aufhebungsvertrag die Zustimmung beider Parteien voraus. Er ersetzt die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und -termine und ermöglicht es, individuelle Regelungen zu treffen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen.

Typische Inhalte eines Aufhebungsvertrags sind:

  • Das genaue Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Regelungen zur Abfertigung (Abfertigung ALT oder Abfertigung NEU).
  • Vereinbarungen über offene Urlaubsansprüche, Überstunden und sonstige finanzielle Ansprüche.
  • Eine mögliche Freistellung von der Arbeitspflicht.
  • Die Formulierung eines Arbeitszeugnisses.
  • Gegebenenfalls eine Geheimhaltungsklausel oder ein Wettbewerbsverbot.

Die potenziellen Vorteile: Wann ein Aufhebungsvertrag sinnvoll sein kann

Unter bestimmten Umständen kann ein Aufhebungsvertrag eine vorteilhafte Lösung für Arbeitnehmer darstellen. Die bewusste Entscheidung für einen solchen Vertrag kann Ihnen mehr Kontrolle über Ihre berufliche Zukunft geben.

Planbarkeit und Kontrolle

Einer der größten Vorteile ist die Möglichkeit, den Zeitpunkt des Ausscheidens selbst zu bestimmen oder zumindest aktiv mitzugestalten. Statt einer überraschenden Kündigung können Sie sich auf das Ende des Arbeitsverhältnisses vorbereiten und die Übergangsphase besser managen. Sie können etwa eine Freistellung aushandeln, um sich ungestört auf die Jobsuche zu konzentrieren, ohne dass Ihr derzeitiger Arbeitgeber davon erfährt.

Möglichkeit einer Abfertigung

Oftmals ist ein Aufhebungsvertrag mit der Zahlung einer Abfindung verbunden. Obwohl in Österreich nur in bestimmten Fällen ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfertigung (z.B. Abfertigung ALT nach 3 Dienstjahren) besteht, kann im Rahmen eines Aufhebungsvertrags eine frei verhandelbare Abfindung vereinbart werden. Diese kann eine wichtige finanzielle Brücke schlagen, bis Sie eine neue Anstellung finden.

Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten

Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich und schließt in der Regel weitere Rechtsstreitigkeiten aus. Dies erspart Ihnen den Stress, die Kosten und die Ungewissheit eines Gerichtsverfahrens, beispielsweise wenn Sie eine Kündigung anfechten würden. Die schnelle und saubere Lösung kann emotional entlastend sein.

Freistellung und Jobsuche

Ein wichtiger Punkt, der oft übersehen wird: Im Zuge eines Aufhebungsvertrags kann eine Freistellung von der Arbeitsleistung vereinbart werden. Das bedeutet, Sie werden bezahlt, müssen aber nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Diese Zeit können Sie optimal für die intensive Suche nach einer neuen Position nutzen, Bewerbungen schreiben und Vorstellungsgespräche wahrnehmen.

Wohlwollendes Arbeitszeugnis

Oftmals wird im Aufhebungsvertrag vereinbart, dass Ihnen ein „wohlwollendes“ oder „qualifiziertes“ Arbeitszeugnis ausgestellt wird. Ein gutes Zeugnis ist ein wertvoller Baustein für Ihre zukünftige Karriere und kann die Jobsuche erheblich erleichtern.

Die potenziellen Nachteile und Risiken: Wann Vorsicht geboten ist

So verlockend die Vorteile auch klingen mögen, ein Aufhebungsvertrag ist nicht ohne Risiken. Gerade als Arbeitnehmer ist es entscheidend, diese genau zu kennen, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Sperrfristen beim Arbeitslosengeld

Dies ist der wohl wichtigste und risikoreichste Aspekt in Österreich. Wenn Sie Ihr Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beenden, gilt dies in der Regel als „selbstverschuldete“ Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Das hat zur Folge, dass Ihnen eine Sperrfrist für das Arbeitslosengeld von vier Wochen verhängt wird, in der Sie keine Leistungen erhalten. Dies kann zu erheblichen finanziellen Engpässen führen. Es gibt zwar Ausnahmen, etwa wenn der Arbeitsplatz ohnehin objektiv gefährdet war (z.B. bei drohender Insolvenz oder Massenentlassungen), diese müssen aber im Einzelfall nachweisbar sein.

Verlust des Kündigungsschutzes

Mit der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags verzichten Sie auf Ihr Recht, eine Kündigung anzufechten. Sollte Ihr Arbeitgeber Sie ohne diesen Vertrag gekündigt haben, hätten Sie unter Umständen die Möglichkeit gehabt, die Kündigung als sozialwidrig oder diskriminierend anzufechten. Dieses Recht geben Sie mit einem Aufhebungsvertrag auf.

Steuerliche Aspekte der Abfertigung

Die ausgehandelte Abfindung ist grundsätzlich steuerpflichtig. Zwar gibt es in Österreich bestimmte Begünstigungen für Abfertigungszahlungen (z.B. den sogenannten „Sechstel“-Freibetrag), dennoch sollten Sie die steuerlichen Auswirkungen genau prüfen und gegebenenfalls eine Steuerberatung in Anspruch nehmen.

Verzicht auf Ansprüche

Oft enthalten Aufhebungsverträge eine sogenannte „Abgeltungsklausel“, die besagt, dass mit der Unterzeichnung alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten sind. Das bedeutet, dass Sie auf möglicherweise noch offene Forderungen wie ausstehende Überstundenvergütungen, Fahrtkosten oder sonstige Zulagen verzichten, wenn diese nicht explizit im Vertrag aufgeführt und bezahlt werden. Prüfen Sie daher genau, welche Ansprüche Sie noch haben.

Praktische Tipps für Arbeitnehmer

Wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag angeboten wird, ist ein kühler Kopf und besonnenes Handeln gefragt. Hier sind einige wichtige Tipps:

Nicht überstürzt handeln

Lassen Sie sich niemals drängen, einen Aufhebungsvertrag sofort zu unterschreiben. Nehmen Sie das Angebot mit nach Hause, lesen Sie es in Ruhe durch und besprechen Sie es mit einer Vertrauensperson. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen eine angemessene Frist zur Prüfung einräumen.

Prüfen Sie Ihre Alternativen

Überlegen Sie genau, welche Alternativen Sie hätten. Wäre eine Kündigung durch den Arbeitgeber wahrscheinlich? Hätten Sie Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung oder Abfertigung ALT? Vergleichen Sie die Situation mit und ohne Aufhebungsvertrag.

Verhandeln Sie!

Ein Aufhebungsvertrag ist eine Verhandlungssache. Alles kann verhandelt werden: die Höhe der Abfindung, das Enddatum, eine mögliche Freistellung, das Arbeitszeugnis oder die Formulierung von Klauseln zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gehen Sie nicht davon aus, dass das erste Angebot des Arbeitgebers das letzte ist.

Sichern Sie sich rechtlich ab

Dies ist der wichtigste Tipp. Bevor Sie einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, sollten Sie ihn unbedingt von einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt prüfen lassen. Ein Experte kann die Klauseln bewerten, Sie auf Risiken hinweisen (insbesondere hinsichtlich des Arbeitslosengeldes) und Sie bei den Verhandlungen unterstützen, um das bestmögliche Ergebnis für Sie zu erzielen.

Klären Sie die Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld

Fragen Sie im Zweifelsfall direkt beim Arbeitsmarktservice (AMS) nach, welche konkreten Auswirkungen ein Aufhebungsvertrag in Ihrem speziellen Fall auf Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte. Dokumentieren Sie diese Auskunft.

Fazit: Eine Frage der sorgfältigen Abwägung

Ein Aufhebungsvertrag kann für Arbeitnehmer in Österreich eine sinnvolle Lösung sein, um ein Arbeitsverhältnis geordnet und einvernehmlich zu beenden. Er bietet Chancen für Planbarkeit, finanzielle Absicherung durch Abfindungen und eine stressfreie Trennung. Doch diese Vorteile gehen oft mit erheblichen Nachteilen einher, insbesondere im Hinblick auf das Arbeitslosengeld und den Verzicht auf Kündigungsschutz. Die Entscheidung für oder gegen einen Aufhebungsvertrag ist komplex und sollte niemals leichtfertig getroffen werden.

Um Ihre individuelle Situation korrekt einzuschätzen, Ihre Rechte umfassend zu wahren und die bestmöglichen Konditionen für Ihre berufliche Zukunft auszuhandeln, ist professionelle juristische Unterstützung unerlässlich. Nur mit fundiertem Wissen und kompetenter Beratung können Sie sicherstellen, dass ein Aufhebungsvertrag in Ihrem Fall wirklich sinnvoll ist und keine unerwarteten Nachteile mit sich bringt.

Fordern Sie eine arbeitsrechtliche Erstberatung an.

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